Verkaufen verboten? Über Geschenke mit emotionalem Wert.

Gestern Abend auf Kleiderkreisel. Ich bekomme eine Nachricht mit den Worten: “Gegenstände mit emotionalem Wert verkauft man nicht!” Die empörte Absenderin findet außerdem, dass es vollkommen egal sei, ob ich die Kette trage oder nicht. Wenn meine Mutter sie mir zum Führerschein geschenkt hat, muss ich sie behalten. Muss ich?
Ist Geschenke Verkaufen verboten? Zugegeben – der Satz klingt hart, wenn man ihn so hinschreibt: Ich verkaufe die Kette, die meine Mutter mir als Schutzengel zum Führerschein geschenkt hat. Geschenke verkaufen klingt falsch. Aber ist es das auch wirklich? Findet der Minimalismus dort seine Grenzen, wo er die Gefühle anderer berühren könnte? Kommt es an dieser Stelle zum kategorischen “Das macht man einfach nicht!”?
Dass etwas falsch klingt, heißt im ersten Moment wohl nur, dass es tabu ist, es auszusprechen. Aber ist es wirklich so problematisch, Geschenke zu verkaufen, weiterzugeben oder wegzuwerfen? Sicherlich gibt es welche, bei denen es okay ist. Die Pralinen, die ich nicht mag, kann ich ohne schlechtes Gewissen bei der nächsten Gelegenheit einer Freundin in die Hand drücken. Was ist aber mit den zehn verschiedenen Eulendekoobjekten, die ich von Oma bekommen habe, nachdem ich ein Mal aus Versehen gesagt hatte, dass ich Eulen süß finde? Es fühlte sich schlecht an, all diesen Kitsch beim Ausmisten des Jugendzimmers in einen Müllsack fallen zu lassen. Aber ich wusste auch nicht, was ich anders machen sollte. Angedeutet hatte ich wohl schon mehrfach, dass ich schon alles mit Eulen habe und mich gar nicht mehr retten kann – haha. Aber dieser Wink wurde nicht verstanden. Und es wäre mir viel zu schwer gefallen, meiner Oma in aller Deutlichkeit zu sagen, dass ich keine Eulen mehr haben wollte. Freute sie sich doch so sehr, wenn sie wieder irgendwo etwas “Nettes” sah, das sie mir mitbringen konnte. Gleichzeitig war es für mich eine enorme Erleichterung, neunzig Prozent dieser Sachen am Ende loszuwerden.
Ähnlich ist es mit der silbernen Halskette. Es war ein verbotenes Gefühl, sie für Kleiderkreisel zu fotografieren und ihr einen Preis zu geben. Aber mir fiel sonst kein Verwendungszweck mehr ein – keine Freundin, die sie mögen würde, keine Organisation, an die man so etwas spenden kann. Sie hängt seit Jahren ganz blass und traurig neben den Ketten, die ich im Gegensatz zu ihr noch trage. Ich mag sie einfach optisch nicht mehr. Sie passt nicht mehr zu meinem Stil. Ein oberflächlicher Grund, das gebe ich zu. Aber soll ich mich zwingen, sie zu tragen, “nur” weil sie eine Bedeutung hat? Soll sie bei mir für alle Ewigkeit rumliegen, “nur” weil ich mit ihr etwas verbinde? Sachen zu haben, die ich nicht brauche oder die mir nicht (mehr) gefallen, überfordert mich und stört mich auch optisch jedes Mal, wenn ich daran vorbeigehe.
Der Punkt ist: Ich bin nicht abergläubisch. Ich werde nie vergessen, wie meine Mutter und ich in dem Familienkaufhaus unserer Heimatstadt standen und ich mir etwas Besonderes für diesen Tag aussuchen durfte. Dafür brauche ich aber nicht das Ding, das ich mir damals ausgesucht habe. Es ist nicht der Gegenstand, an dem mein Herz hängt, sondern diese Erinnerung. Geschenke verkaufen ist für mich einfach kein Drama.
Ein bisschen hoffe ich trotzdem, dass meine Mama diesen Artikel nie liest. Denn ich verstehe, dass meine Entscheidung, die Kette weiterzugeben, sie verletzen könnte. Dabei weiß sie vielleicht nicht: Es ist ihre Geste, die zählt, nicht meine. Nicht die Kette, das Stück Metall, produziert von irgendwem für Fossil, schützt mich auf der Straße. Es sind die Gedanken von ihr und an sie, die mich daran hindern, bei 200km/h noch mal das Gaspedal durchzudrücken.
14 Comments
Hi Sabine,
schwieriges Thema sehr schön in Worte gefasst. Mir geht es da ähnlich wie dir, ein komisches Gefühl, wenn man solche emotionalen Gegenstände verkaufen oder weg tun will, gleichzeitig das Gefühl, dass es keinen Sinn macht, bei mir Staub zu sammeln. Denke dann immer, dass die Kette so doch eine Möglichkeit hat, einem anderen Menschen Freude zu bereiten und dass ich meiner Familie auch nicht böse wäre, wenn sie Geschenke die nicht mehr passen, weitergeben.
Liebe grüße, Dunja
Hey Sabine,
ich kann dich da total verstehen. Teilweise sind hier einige Sachen bei mir verstaubt, die ich gar nicht mehr getragen habe. Zum Glück ist meine Familie nicht so materialistisch und meine Mama hat auch immer gesagt, wenn ich Omas Geschenk (was z.B. Weihnachtsdeko war) nicht mag, soll ich es auch nicht aufstellen müssen. Dadurch habe ich gelernt wirklich nur Sachen zu besitzen, die ich mag. Zum Geburtstag haben meine Freunde mir unter anderem ein Fußkettchen geschenkt (ich finde Fußkettchen schrecklich) und nach ein paar Wochen habe ich auch gesagt, dass ich es nicht mag und ob meine Freundin es haben möchte. Hier war mir auch die Geste wichtig, aber nicht der Gegenstand selbst. Tatsächlich war mir da auch keiner böse, sondern meine Freunde haben sich selbst gefragt, wie sie auf die Idee gekommen sind, mir sowas zu schenken 😀
Liebe Grüße,
Vita
Achje, dieses Problem kenne ich nur zu gut.
Manchmal hat man einfach Geschenke bekommen, für die man keine Verwendung (mehr) hat. Und dann sind sie immer da und man hat das Gefühl, man müsste sie auch nutzen, denn ungenutzt geben sie einem auch ein schlechtes Gewissen. Dazu sind sie ja zu schade. Daher finde ich es vollkommen in Ordnung, solche Dinge zu verkaufen, denn dann hat man wenigstens noch etwas davon (ein wenig Geld für etwas, was man wirklich brauchen kann) und der Gegenstand kann einen Besitzer finden, der ihn wirklich nutzt.
Sogar weiterverschenken finde ich durchaus gut – denn ein Gegenstand sollte nicht ungenutzt sein. Solange ihn jemand brauchen kann, sollte man das auch nutzen und die Umwelt durch das Weiterverschenken davor bewahren, dass noch mehr Dinge unter umweltschädlichen Bedingungen produziert werden müssen.
Also deine Einstellung finde ich super – denn Geschenke sollen glücklich machen und kein belastendes Gefühl hinterlassen. Und wenn man sie dazu los werden muss und nur noch die Geste in Erinnerung haben möchte, dann ist das halt so.
Liebe Grüße
MMh ich denke da ein wenig anders, gerade “Glücksbringer” könnte ich nicht abgeben. Ein Geschenktes Shirt/Spiel/Parfüm oder ähnliches gerne, da ist meine schmerzgrenze auch weiter unten. Warum soll ich etwas behalten was nciht gefällt (was aber selten vor kommt) oder nicht mehr zum stil passt?
Aber so eine Kette? Nein, das könnte ich nicht, ich hätte einfach kp Angst? Das einen genau dann das Glück verlässt? So eine kette würde bei mir dann im Auto hängen oder im handschuhfach liegen. ich habe auch noch den anhänger, einen schutzengel, der später wieder ins auto kommt (wenn ich eins hab) weil als schlüsselanhäänger ist das teil viiiiel zu schwer und wuchtig. aber es erinnert mich an meine Mama, jetzt wo sie selber zu den engeln zählt. ich glaub ich hätte es sehr bereut etwas von ihr abgegeben zu haben. ich hab auch noch den ring den sie mir kaufte, weil mein ex schluss machte und ich nicht länger “seinen ring” tragen sollte. er passt nicht mehr, schon lange nicht. aber abgeben? niemals.
Ich stimme dir zu, es ist die Geste, die Erinnerung, die zählt nicht das Ding. Im Fall einer Kette würde ich sie anziehen, ein hübsches Foto vob mir machen und mich dann von dem Ding trennen. Das Foto im Album wird mir dann die Erinnerung bewahren, ohne dass ich das teil behalte.
Ich bin weit entfernt vom Minimalismus, ich mag hübsche Dinge. Eins hab ich aber mit jedem Minimalisten gemeinsam: wenn ich etwas nicht mehr brauche oder es mir nicht mehr gefällt, habe ich kein Problem es los zu werden. Erst gerade während den letzten Wochen habe ich mich von 3 Kisten Klamotten, 30 Paar Schuhen, 2 riesen Mülltüten voller Kram und weiterem Gedöns getrennt. Der VHS Player, den ich von Papa geerbt habe, brauche ich im Jahr 2016 einfach nicht mehr. CDs, DVDs und Co. nehmen im Jahr 2016 nur Platz in der Wohnung weg, meine liebsten wurden digitalisiert und alle Discs entsorgt. Ich liebe Krempel und Klamotten und Co. aber ganz nach KonMari wenns mir keine Freude bereitet oder ich es zum Leben brauche, kanns weg.
Hi Sabine,
ich finde, dass es ok ist, Dinge zu verkaufen oder zu verschenken, die man nicht braucht und die irgendwo in der Wohnung verstauben.
Ich persönlich finde es sogar noch schöner, es an Jemanden weiterzugeben, der besagten Gegenstand, wie zum Beispiel die Kette, dann auch trägt und benutzt und seine Freude hat.
Klar, es hängen Emotionen an dieser Kette, aber wie du bereits gesagt hast – Die Erinnerung hängt nicht an der Kette, sondern an der Person. Ich bin auch gerade dabei, einige Dinge zu verkaufen und zusammen zu suchen, die auch teilweise Geschenke waren. Ich finde es einfach nur schade, dass sie hier einstauben und keinen Gebrauch mehr haben. So finde ich vielleicht noch jemanden, dem ich damit eine Freude machen kann und das hat doch am Ende auch Wert, oder nicht ?
XO Samy
Was für ein interessanter Gedanke. Zum Glück ist meine Mama herzlich unsentimental und vermachte mir unlängst zwei Schmuckstücke und einen Kontakt wo ich sie verkaufen könnte, wenn ich mir von dem Geld lieber einen Flug kaufen wollte.
Allerdings gebe ich zu, dass ich nicht weiss wie ich mich fühlen würde, wenn ich es etwas für einen lieben Menschen aussuche und der es dann verkauft oder einfach weiterschenkt. Ich wage zu behaupten, dass ich gute Geschenke mache, aber wer weiss 🙂
Gutes Thema.
Ich hab auch schon die ein oder andere Minute damit verbracht, mir über dieses Thema Gedanken zu machen.
Die Geste und die Erinnerung sind das was zählt, das hast du schön geschrieben und da bin ich auch voll bei dir.
Aber irgendwo hat man doch ein schlechtes Gewissen, Geschenke zu verkaufen oder weiter zu verschenken, man möchte ja niemanden verletzen.
Auf jeden Fall ein toller Beitrag, gerade beim letzten Abschnitt hast du schöne Worte gewählt.
Cheerio!
Sandy
Liebe Sabine!
Ausmisten ist bei mir sowieso ein großes Thema, welches noch sehr schleppend vorangeht.
Als Jugendliche habe ich wertvollen Schmuck verkauft, den ich zur Kommunion bekommen habe.
Ich weiß, dass ich ihn niemals tragen werde, aber ich habe ein furchtbar schlechtes Gewissen deshalb.
Eine liebe Freundin von mir brachte mir aus ihren zahlreichen Urlauben immer kleine Mitbringsel und Schlüsselanhänger mit.
So machen es auch meine Kolleginnen, aber ich bin da inzwischen recht eigen geworden.
Solche Dinge hebe ich nicht auf, weil ich noch nie an den Orten war und damit nichts verbinde.
Ich selbst kaufe als Andenken für mich hübsche kleine Teller, Seifen oder Kulinarisches und versuche den Menschen, denen ich etwas vom Urlaub mitbringe etwas Nützliches mitzubringen.
Die Freundin mit den Schlüsselanhängern hat mir eine Sanddornmarmelade mitgebracht.
Neulich ist mir dann rausgerutscht, dass ich Sanddorn überhaupt nicht mag.
War etwas peinlich, aber jetzt schenkt sie mir nichts mehr damit.
Liebe Grüße, Aletheia
Ich kann dich da gut verstehen. Wie oft bekommt man Sachen geschenkt, die man entweder nicht braucht oder die einem nicht mehr gefallen? Mit meiner Familie, also Eltern und Bruder, habe ich zum Glück die Regel, wenn uns irgendetwas auf Anhieb nicht zusagt, sagen wir es ehrlich und es wird einfach umgetauscht. Das ist wirklich eine Erleichterung (:
Bei dir war es ja anders, die Kette hat dir im Laufe der Zeit nicht mehr gefallen. Ich finde es, wenn du persönlich keinen besonderen Bezug mehr dazu hast, vollkommen ok, wenn du sie verkaufst. Es war ja jetzt keinen Ring oder so den deine Mutter dir vererbt hat, mit der Bitte ihn immer bei dir aufzubewahren. Meine Mutter ist da zum Glück entspannt, manchmal wenn ich andeute, dass mir etwas, was sie mir mal geschenkt hat, nicht mehr gefällt, sagt sie von sich aus: Verkauf’ das doch im Internet, du weißt doch wie das geht 😀
Viele Grüße
Tabea
Echt schwierig. Ich persönlich bekomme es oft Jahrelang nicht übers Herz etwas emotionales wegzuschmeißen. Zum Glück gibt es davon auch nicht so viel. Ich bin auch der Meinung, dass man Geschenke nicht verkaufen soll, aber man kann auch nicht alles anhäufen und vollmüllen. Eine gute Alternative zum Verkaufen (weil ich das immer so “kühl” finde) ist, wenn man der Kette wieder einen weiteren emotionalen Wert schenkt. Zum roten Kreuz oder ähnlichen Einrichtungen geben. Dann hilft der Erlös der Kette wieder jemanden und man kann guten Gewissens sagen, dass sie nicht weg geschmissen oder “verhökert” wurde.
Aber das ist nur ein Vorschlag, denn an sich ist es nur deine Sache, ob du das verkaufst oder nicht und die Gesellschaft sollte sich aus deiner persönlichen Entscheidung eigentlich raus halten. Du machst das schon, dass es passt 🙂
Viele liebe Grüße, Dorie
http://www.thedorie.com
Liebe Sabine!
Kennst du das, wenn du einen Artikel liest und gleich zischt dir eine Idee für einen eigenen, ähnlichen durch den Kopf? Genauso ist es mir gerade ergangen – du hast mir eine tolle Inspiration geliefert und ich werde gleich losschreiben!
Danke dir schon einmal dafür! 🙂
Zum Thema: Ich finde es absolut nicht schlimm, Geschenke zu verkaufen oder weiterzuverschenken. Natürlich kann es die betreffende schenkende Person verletzten – aber letzten Endes ist doch niemandem damit geholfen, wenn das “Ding” dann ungenutzt und ungeliebt in der Ecke steht, aus Anstand. Ich glaube, die Qual darf man sich und dem Objekt selbst gerne ersparen – und man darf auch dem Schenkenden gegenüber in der Beziehung ehrlich sein (natürlich nicht porzellanladenelefantenmäßg, aber man kann das ja auch sensibel vermitteln 🙂 ).
Liebe Grüße
Jenni
Toller Post! Mir geht es oft ähnlich wie dir früher. Trotzdem habe ich die Kette meines ersten Freundes letztens auf dem Flohmart verkauft. Die Erinnerung bleibt.
LG
Addy