Ich habe ein ganz schwieriges Verhältnis zur Farbe Grün. Sie war für mich irgendwie immer die fiese Konkurrenz zu meiner Lieblingsfarbe Blau, und wann immer etwas türkis ist, finde ich es blau, aber alle anderen finden es grün. Das ärgert mich jedes Mal. Vielleicht bin ich also ein bisschen farbenblind, vielleicht auch nur sehr eigen. Auf jeden Fall bin ich nicht nur kritisch, was Grün angeht, ich bin auch komplett untalentiert mit dem Grünsten, was es so gibt: Pflanzen. Die man in der Wohnung neuerdings nicht mehr einfach “Zimmerpflanzen” nennt, sondern “Urban Jungle”. Urban Jungles sind also cool – nur leider bin ich ein Idiot.

Tatsächlich habe ich es letztes Jahr geschafft, eine Aloe Vera kaputt zu machen. Ich hatte mich getraut, sie umzutopfen; anscheinend falsch. Unkomplizierte Pflanzen waren eigentlich immer mein Ding. Nicht nur mag ich Grünzeug ohne Blüten-Chichi lieber, ich kann eben auch besser damit umgehen. Früher war ich begeistert von kleinen Kakteen und fleischfressenden Minipflanzen, in den letzten Jahren habe ich Sukkulenten, Gummibäume und imposante, große Kakteen für mich entdeckt. Nur: Nichts überlebt so richtig lange – und an die großen traue ich mich erst gar nicht ran; die bewundere ich nur von Weitem.

Zum Glück gibt es die #urbanjunglebloggers – die Instagram Community motiviert mich nicht nur regelmäßig mit ihren perfekten Bildern dazu, es weiterhin zu versuchen; es gibt jetzt auch einen Guide der beiden Gründer des Ursprungsprojekts urbanjunglebloggers.com. Wohnen in Grün soll nicht nur Inspiration und Ideensammlung, sondern auch Handbuch für alle Pflanzenliebhaber sein, die das Grün vom (nicht vorhandenen) Garten in die Wohnung verlagern wollen. Der kunstvoll bebilderte Guide, erschienen im Callwey Verlag, ist meine Starthilfe, damit ich das mit den Pflanzen in der neuen Wohnung endlich mal gebacken kriege. Mein ambitioniertes Ziel ist, ein paar davon auch irgendwann wieder von hier mitzunehmen…

Zimmerpflanzen Guide

Der Start in den Pflanzenguide ist unkompliziert und kommt ohne viel Gerede aus – das überzeugt mich. Nach einem kurzen, uneitlen Vorwort der Autoren folgt sofort die erste Homestory. Wohnen in Grün besucht verschiedene Menschen in ihren begrünten Wohnungen, die Größe und der Stil des Urban Jungles variiert dabei. Zwischen und in den Homestories werden die wichtigsten Pflanzengattungen vorgestellt und das auf eine Art, dass man nur Lust auf eine grünere Wohnung kriegen kann. Zu jeder Pflanzenart werden Ideen für Stellplätze, Töpfe und Kombinationsmöglichkeiten mit anderen Pflanzen und Objekten gezeigt. Dazu kommen Pflegetipps.

Pflanzen Familie
Pflanzen Pflege Guide

Wohnen in Grün ist wie ein dickes, hochwertiges Magazin, nur irgendwie noch besser und runder. Die Fotos und Erzählungen machen unheimlich viel Spaß, weil die Menschen, die da inmitten ihrer Pflanzenarrangements sitzen, einfach glaubwürdig und sympathisch sind. Trotz wirklich hoher Gründichte wirkt keine der Wohnungen unstimmig oder ungemütlich. Alles ist top durchgestylt – und das steht für mich übrigens null im Gegensatz zu authentisch und gemütlich. Einige Arrangements wären wohl nicht mein Stil. Zu Boho, zu retro, zu unclean – diese Ideen kann ich für meine eigene Wohnung aber nach meinem Geschmack abwandeln. Beim Lesen entstand beinahe automatisch eine Wunschliste, und einen neuen Mitbewohner gibt es auch schon… Bevor ich mich aber voll in den Kaufrausch stürze (es fällt schwer, selbst als Minimalistin!), möchte ich mich zuerst um die Pflanzen kümmern, die ich habe und die zum Teil schon nach Aufmerksamkeit (oder Ruhe?) schreien. Zeit, sie besser zu behandeln.

liebevolle Pflanzen Pflege

Zwei Wochen später kann ich sagen, dass ich jetzt verstehe, warum mein Ficus direkt nach dem Kauf gekränkelt hat, warum seine Blätter am Fenster nun die Farbe verändern und dass zu viel Gießen manchmal schlimmer ist als zu wenig. Ich weiß auch, dass ich beim Umtopfen die Ableger der Aloe hätte entfernen sollen und dass ihr wahrscheinlich Sonne gefehlt hat. Hätte ich das gewusst, hätte ich jetzt wirklich schon einen kleinen Dschungel!

Was ich immernoch nicht verstanden habe, ist, wie sich die Konsistenz der Erde durch Wasser und Sonne verändert, warum meine Sukkulente an einzelnen Stellen austrocknet, obwohl ich sie gefühlt schon zu viel gieße, und wieso selbst mein Bogenhanf, angeblich die pflegeleichteste Pflanze auf diesem Planeten, irgendwie komisch aussieht. Das liegt vielleicht daran, dass die Pflegehinweise zwar da sind, aber an manchen Stellen einfach viel zu vage. “Besser zu wenig als zu viel gießen” – aha. “Indirektes Licht” – naja.

Urban Jungle Ideen

So wie ich es verstehe, soll das Buch am Ende auch keine Enzyklopädie, sondern nur ein Einsteigerguide sein und es ist nur konsequent, dass es dann auch kein Glossar oder vollständiges Register nach Pflanzennamen gibt. Was ich aber dennoch logisch gefunden hätte, wenn es um Styling geht, ist eine Sortierung der Pflanzen nicht nur nach Gattung, sondern auch nach dem Platz, den man dafür einplant. Wäre es nicht denkbar, dass jemand, der mehr Stylist ist als Gärtner, zuerst das Setting kennt und danach die Pflanze aussucht? Ich fände es jedenfalls genial, direkt nachschlagen zu können: Ich habe einen Platz im Wohnzimmer frei – mein Regal bekommt ein wenig Abendsonne. Welche Pflanzen kommen in Frage? Diese Informationen muss ich recht kompliziert zusammensuchen.

Pflanzen am FensterBogenhanf Anfänger

Auch bei der Pflege steige ich immernoch nicht ganz durch. Das wäre ja irgendwie auch ein Wunder – von zero Peil zu vollem Durchblick an einem Nachmittag (so schnell habe ich die schönen Seiten aufgesogen). Sicher muss ich Einiges noch mehrmals nachschlagen – und einfach üben. Selbst ein besseres Gefühl entwickeln. Ich hoffe, dass mir auf dem Weg nicht mehr allzu viele Pflanzen eingehen; denn das Sterben eines grünen Mitbewohners als freudigen Anlass zu sehen, einfach den nächsten kaufen zu “dürfen”… das passt dann doch nicht ganz zu meinem Weltbild. Stattdessen wird mein Urban Jungle wohl langsam und nachhaltig wachsen und ich gebe mir alle Mühe, das Zuhause meiner Pflanzen zu pflegen. Meines ist in Grün auf jeden Fall viel schöner.

Ich bedanke mich herzlich beim Callwey Verlag für das Rezensionsexemplar. Wie immer bleibt meine Meinung unabhängig!