A HUNGRY MIND ist ein Minimalismus Blog aus Hamburg” – diese, zugegebenermaßen etwas angestaubte oder wenigstens unvollständige Beschreibung, gibt es seit über drei Jahren. Natürlich befreie ich mich privat schon viel länger regelmäßig von Kram, den ich nicht mehr brauche, aber 2015 hat mich die Idee gepackt, dass das, was ich bisher intuitiv tat, System haben könnte. Und dass andere davon erfahren sollten, wie gut es tut, reduziert zu leben. Drei Jahre später hat sich mein Fokus ein Stück weit geändert und ich bin weit davon entfernt, mich als Ausmistguru zu professionalisieren. Trotzdem hat mich das Thema immer begleitet und, anders als früher, habe ich ein Bewusstsein dafür entwickelt, was ein geordnetes Zuhause für mich ausmacht. Was ich über das Ausmisten gelernt habe, möchte ich heute mit euch teilen.

1. Man wird nie fertig.

Das schreibe ich nicht, um irgendwen zu entmutigen, denn Ausmisten ist keine Sisyphos Arbeit. Ein gut organisiertes Zuhause ist einfach sauber zu halten, und muss auch nicht alle zwei Wochen ausgemistet werden. In Zeiten, in denen ich täglich von A nach B nach C und wieder zurück räumte, musste ich mir meistens eingestehen, dass einfach insgesamt zu viel Kram rumstand. Ich habe dann nochmal ehrlich aussortiert oder doch mal ein paar Dinge anders verstaut. Trotzdem ist es völlig normal und überhaupt kein Grund für Stress, dass neue Sachen ankommen, dass sich der Geschmack immer wieder ändert oder man Möbel und Küchengeräte doch nicht so nutzt wie geplant. Und dann erneut ausmisten muss. Bei mir variieren die Zyklen sehr – manchmal packt es mich jeden zweiten Monat, dann wieder ein halbes Jahr gar nicht.

Viele Gurus erzählen, dass man immer den gesamten Besitz angehen muss und nicht nur einzelne Bereiche. Ich denke, das gilt für die erste große Aktion oder immer dann, wenn man das Bedürfnis dazu hat, weil sich etwas Großes verändert hat. Für mich ist es wie bei einem Projekt – beispielsweise eine Website, die man von Grund auf sauber aufgesetzt hat. In den Monaten nach dem Launch wird stellenweise optimiert, nicht schon wieder der ganze Code neu geschrieben. So räume ich eben auch ein paar Schubladen in der Küche um, wenn sie mich im Alltag dann doch nerven. Diese Art von Maintenance fühlt sich für mich extrem positiv an, weil ich immer wieder etwas verbessere oder an ein neues Bedürfnis anpasse.

2. Modularität spart Müll!

Was mir deshalb wichtig ist, ist, dass ich meine Sachen umfunktionieren kann. Als ich feststellte, dass entgegen meiner romantischen Vorstellung wirklich nie bei Sonnen- oder Kerzenlicht in meiner kuscheligen Sesselecke saß, um ganze Bücher zu verschlingen, und deshalb der Sessel gehen musste, hatte ich plötzlich auch einen Fußhocker übrig. Zum Glück hatte ich aber eben keinen designierten Fußhocker mit Samtbezug gekauft, sondern ein Sitzkissen auf eine Obstkiste aus dem alten Land gelegt. Hochkant gedreht, in den Flur gestellt, endlich einen Platz für Taschen und Schlüssel geschaffen. Und nicht noch mehr rausgeschmissen! Die Bank, die vorher halbwegs nutzlos unter meiner Kleiderstange stand, wanderte als Pflanzenpodest in die nun freie Ecke. Solche Umdeutungen mache ich eigentlich ständig und ich liebe das Gefühl, etwas Neues zu haben, ohne etwas Neues zu kaufen.

ausmisten Tipps

3. „Freie Oberflächen“ sind so eine Sache…

Insgesamt lohnt es sich, Tische, Arbeitsplatten, Waschbecken und Sideboards frei von Kram zu halten. Es tut der Optik in kleinen Wohnungen gut und die Flächen lassen sich in zwei Sekunden abwischen. Aber: Es hilft nicht, so viel wegzuräumen, dass es unpraktisch wird. Im Badezimmer brauche ich nunmal mein Makeup vor dem Spiegel, und es nervt nur, für die Mascara zuerst den Spiegelschrank zu öffnen, ihn zu schließen um die Wimpern zu tuschen, wieder zu öffnen für den Augenbrauenpuder… you get the idea. Deshalb sind Makeup, Gesichts- und Zahnprodukte und mein Kamm auf freien Flächen verteilt. Sieht nicht so schön aus, ist aber angenehmer. Auch eine freie Arbeitsplatte macht sich für mein persönliches Ästhetikempfinden besser. Wenn das aber heißt, dass ich allen Scheiß nicht nur spülen, sondern auch noch abtrocknen muss, siegt eindeutig die Faulheit.

Badezimmer MinimalismusMinimalismus Faulheit

4. „Open Space“ wird überbewertet.

So minimalistisch mancher Instagram-Account daherkommt: Meistens hat man als erwachsener Mensch eben doch einiges an unansehnlichem Zeug (Medikamente, Werkzeug, Badeschlappen, Dokumenteordner, Gästehandtücher), das besser in einem geschlossenen Sideboard oder einem Bettkasten aufgehoben ist als in einem tollen #scandistyle Wandregal. Die Idee, die schönen Sachen offen zu lagern, hat sich trotzdem für mich bewährt: Meinen Mix aus Bücherregal, Pflanzendisplay und Kleiderschrank schaue ich gerne an und halte ich ordentlich, indem ich nicht zu viel ansammle.

Regalkonzept Pflanzendisplay

5. Saisonale Lagerung ist King!

Meine Wohnung wäre nicht halb so instagrammable und der geringe Raum würde sich eng anfühlen, wenn ich nicht das Privileg eines Dachbodens genießen würde, auf dem ich vieles, was ich aktuell nicht brauche, zwischenlagere. Das sind zum Beispiel Jacken für andere Jahreszeiten, schicke Kleider für seltene Anlässe, freie Blumentöpfe, Verpackungsmaterial, Schlafsäcke und Wanderschuhe, ein altes Gläserset als Backup für Feiern…

Wer nicht das Glück eines ganzen Abstellraums hat, kann zumindest die Schränke so nutzen: Das, was zurzeit selten gebraucht wird, kommt nach hinten oder in ein ganz anderes Fach. So steht zum Beispiel mein Wasserkocher im Sommer hinter dem Müslikram im Barwagen, so dass ich ihn mit etwas Mühe rausholen kann; im Winter steht er bequem auf der Arbeitsfläche.

6. Man kann nichts “irgendwann nochmal brauchen”.

Der andere Grund, Sachen auf den Dachboden oder in den Keller zu bringen, klingt meistens irgendwie so wie in der Überschrift und ist die größte Falle beim Aussortieren. Sprüche wie „Das frisst kein Heu“ klingen erstmal gut. Es schadet ja nicht, wenn der Kram noch irgendwo gelagert wird, oder? Dass man alles, was man dort verstaut, wo man es monatelang nicht mehr sieht, doch wieder angehängt bekommt, merkte ich bisher bei jedem Umzug. Und dann geht das große Wegwerfen und Rumorganisieren los. Es würde sich also lohnen, direkt das auszumisten, was man eben nicht „irgendwann nochmal brauchen kann“. Also alles, was nicht nur für die Saison oder bis zum nächsten Wanderurlaub weggeräumt wird, sondern weil man es ewig nicht benutzt hat und zu zimperlich ist, es loszuwerden.

7. Manches verschwindet nie.

Es gibt Kategorien, mit denen kämpfe ich seit immer, für immer. Zum Beispiel die große Box Gewürze, die sich in meinen WGs über Jahre angesammelt hat, und die kein Mensch je verbrauchen kann. Da hilft meine neueste Idee, Gewürze lose zu kaufen und in Glasfläschchen zu sammeln, auch nur bedingt, weil ich wohl noch jahrelang zwei große Gläser “Kräuter der Provence” und drei Plastikspender Zimt übrig haben werde.

Chaos in der Kücheaufräumen Pfand verstecken

8. Verstecken gilt!

Ecken und Nischen helfen mit hässlichem, aber nützlichen oder noch nicht weggebrachten Kram. Zum Beispiel Pfand oder leere Gläser für den Unverpackt-Einkauf. Oder der Drucker, den sich wahrscheinlich keiner einfach so neben das Bett stellen würde – es ist aber die am wenigsten sichtbare Ecke im Raum und er hält so außerdem als nächtliche Ablage für mein Macbook her.

Minimalismus im SchlafzimmerDrucker verstecken Ideen

9. An freien Platz kann man sich gewöhnen.

Es lohnt sich, nicht jede freigewordene Ecke sofort mit etwas anderem zu belegen. Das mit dem Platz war für mich ein bisschen wie mit Geld: Wenn ich die Gehaltserhöhung nicht sofort für die nächste Erhöhung meines Lebensstandards verplane, stelle ich vielleicht fest, dass ich die auch gar nicht brauche. Und das Geld für einen spezielleren Zweck nutzen kann. Oder es schlicht da lasse. Genau so gut tut freier Platz, den man theoretisch für etwas verwenden könnte – oder eben auch nicht.

Was waren eure wichtigsten Learnings beim Ausmisten und Aufräumen? Und: Kann mir jemand schöne Gewürzgläser mit Streuöffnung empfehlen, damit ich wenigstens so tun kann, als hätte ich die Massen an Kurkuma und Muskat freiwillig?